Robert Clemen MdL


Rede Kreisparteitag am 2. November 2019

Liebe Freundinnen und Freunde,

nach nahezu dreißig Jahren politischer Verantwortung in unterschiedlichen Funktionen ist für mich heute der Tag gekommen, an dem ich mich aus der aktiven Politik verabschieden werde. Dies geschieht in Dankbarkeit für all die guten und interessanten Jahre, aber auch in großer Sorge um die Zukunft unserer Partei. ....


Kein Zweifel, das Schiff Christlich Demokratische Union ist in schwere See geraten und keiner weiß, wie die Kommandobrücke überhaupt besetzt ist, wer gerade am Ruder steht und ob unser Kompass noch funktionstüchtig ist. Da sind wir als Sächsische Union noch ganz gut dran. Bei uns navigiert Michael Kretschmer souverän und hält das Boot auf Kurs. Aber im bundesweiten Vergleich sind wir mit unserer „Sachsen“ zwar eine schnelle und bewegliche Korvette, aber das hilft uns nur begrenzt, wenn es dem Flottenverband als Ganzem und besonders den Dickschiffen am klaren Kurs fehlt und sich mitunter Kommandant und Offiziere auf der Brücke verpeilt haben.

Der Blick auf die CDU in ihrer akuten Lage gibt Anlass zur Sorge: Es fehlt an Führung aus dem Kanzleramt und aus dem Konrad-Adenauer-Haus. In einem Zustand der Verunsicherung treten auch in manchen Bundesländern skurrile Verhaltensweisen zutage. Kein noch so ernüchternd schlechtes Wahlergebnis darf dazu führen, dass auch nur der Eindruck aufkommen kann, wir würden – wenn es denn leider, leider nicht anders geht – notfalls auch mit der Linken regieren.

 

In schwierigen Situationen gilt es, innezuhalten und sich seine eigenen Werte und Prinzipien ins Gewissen und ins Gedächtnis zu rufen. Dann wird für uns als Christdemokraten wieder klar:
Mit Leuten, die in ihrem Parteiprogramm nach wie vor den Sozialismus als Gesellschaftsordnung propagieren und die nicht willens sind, die DDR das zu nennen, was sie war, nämlich ein Unrechtsstaat, kann man nicht über irgendwelche Formen der Zusammenarbeit sprechen und schon gar nicht über Koalitionen! Wenn wir Koalitionen oder Kooperationen auf der rechten Außenseite mit der AfD ausschließen, weil es dort völkische und rassistische Tendenzen gibt, dann muss die gleiche Konsequenz auch für Linksaußen gelten, wo starke Kräfte diesen Staat in seiner politischen, sozialen und wirtschaftlichen Verfasstheit abschaffen wollen.

Gerade in schwierigen Zeiten ist politische Klarheit unerlässlich. Ohne sie holen wir keinen einzigen von uns Enttäuschten zurück, sondern werden nur noch mehr Menschen gegen uns aufbringen. Geradlinigkeit als Charaktereigenschaft wird gedanklich eher selten mit Politikern in Verbindung gebracht. Wo man sie aber antrifft, spüren die Menschen das genau. ....

Meine Freunde, in der Endphase der DDR habe ich mich im Demokratischen Aufbruch engagiert. Damals hatte ich, geprägt von meinem Elternhaus, ein christlich-abendländisches, auch der jüdischen Tradition verpflichtetes Weltbild und inneres Werteverständnis. Meine Entscheidung für die CDU und nicht für die FDP oder etwa für die SPD fiel nach reiflicher Überlegung, zwar folgerichtig, aber nicht automatisch. Damals empfand ich mich – und so sahen mich sicher auch meine Parteifreunde – als jemand, der eher der linksliberalen Strömung in der Union zuzurechnen war.
Heute muss ich sehen, dass ich eher ein konservatives Politikverständnis habe, oder das, was heute dafür gehalten wird.

Dabei haben sich meine Wertvorstellungen, mein Verständnis von dem, was richtig und was falsch ist in der Politik, kaum geändert. Es sind größtenteils dieselben wie vor dreißig Jahren. Geändert hat sich das Selbstverständnis weiter Teile der CDU. Unter der Ägide von Angela Merkel ist das gesamte Koordinatensystem der Christlichen Demokraten so weit nach links verschoben worden, dass ich  mehr und mehr den Eindruck gewinne, der Begriff „konservativ“ würde selbst in der CDU pejorativ benutzt, also abwertend und abschätzig. Dabei geht es doch nicht um bestimmte Themenfelder und konkrete Festlegungen in Einzelfragen. Es geht vielmehr um eine Geisteshaltung und immer auch um einen persönlichen Habitus. Auch als junger Mensch mit urbanen Lebensgewohnheiten und großer Offenheit neuen Entwicklungen gegenüber kann man konservativ oder meinetwegen wertkonservativ sein. Bitte sage mir jetzt niemand, wir müssten heute neue Antworten auf neue Fragen finden, weil sich gänzlich neue Probleme stellten. Das verfängt nicht. Denn Aufgabe der Politik war es immer, die jeweils akuten Probleme zu lösen. Aber muss man deswegen sein eigenes Wertesystem grundsätzlich infrage stellen? Muss man über jedes Stöckchen springen, das einem  der Zeitgeist hinhält, von der Veballhornung der Sprache durch Gendersternchen und großes Binnen-I über die Lobpreisung der sogenannten Rettungsaktionen im Mittelmeer durch Schiffe von Nichtregierungsorganisationen mit fragwürdigen Geschäftsmodellen, bis hin zu Fridays for Future mit dem Anspruch von Sechzehnjährigen, dem Rest der Welt den Lauf der Dinge erklären zu wollen? Nein, das alles muss man nicht! Aber man muss dann schon von den eigenen Werten überzeugt sein. Höflichkeit, Zuverlässigkeit, die Fähigkeit, zuhören und andere Meinungen gelten lassen zu können, sind im Alltag oft entscheidender, als einen Plan zur Rettung der Welt zu präsentieren. Aber, scheinbar Selbstverständliches wird in Frage gestellt.

Robert Clemen MdL
Robert Clemen MdL

Man schaue sich nur einmal an, wie es in unseren Städten aussieht und wie es in ihnen zugeht, leider auch in unserem schönen Leipzig. Keine frisch verputzte Wand bleibt länger als zwei Nächte unbesprüht, kein Verkehrsschild unbeklebt, so dass man den eigentlich mit ihm verbundenen Hinweischarakter kaum noch erahnen kann. Wenn ich dann noch überlege, wie viele Zeugnisse von Vandalismus im Stadtbild zu verzeichnen sind, wie viel kriminelle Gewalt des Nachts auf Baustellen oder einfach nur gegen abgestellte Autos ausgeübt wird, dann frage ich mich schon, was da in unserer Gesellschaft so alles falsch läuft. Es driftet vieles ungeordnet auseinander. Einen Grund will ich deutlich benennen: Oberbürgermeister Burghard Jung, Teile seiner Stadtverwaltung und die Vereinigte Linke von Grün bis ganz Links haben der Gewalt der autonomen Gruppen lange Zeit augenzwinkernde Ermunterung zuteilwerden lassen. Von dort bis zur Förderung krimineller Aktivitäten gewissermaßen als soziokulturelle Projekte ist es dann nicht mehr weit.

Spätestens an dieser Stelle sollten wir über die Wahl zum Oberbürgermeister in Leipzig zu sprechen. Dass der Amtsinhaber eigentlich keine Lust mehr hat, kann man nach vierzehn Jahren ja verstehen. Und dass es mit dem Job als Präsident des Ostdeutschen Sparkassenverbandes nicht geklappt hat, ist nicht nur für Burghard Jung schade, sondern am Ende vor allem für Leipzig.

Umso wichtiger sind diesmal die personellen Alternativen. Wir bieten die beste davon: Sebastian Gemkow, Leipziger von Geburt und aus Überzeugung. Er leistet in seinem Amt als Staatsminister der Justiz Großartiges für den Freistaat Sachsen und für unser Leipzig. ....

Sebastian Gemkow folgt seiner Überzeugung, dass nur ein handlungsfähiger Staat, der geltendes Recht konsequent durchsetzt, eine friedliche Gesellschaft schaffen und erhalten kann. Die Durchsetzung des Rechts verhindert, dass die Gesellschaft zentrifugal auseinanderfliegt.

Zu verdanken haben wir das vor allem unserem Schatzmeister Achim Haas und den Kreisgeschäftsführern Christian Kötter und Philipp Sondermann. Ihr habt in diesen Jahren bewiesen, zu welchen Erfolgen konsequentes Handeln führen kann. Wenn wir für uns in Anspruch nehmen, als CDU die Partei der wirtschaftlichen und sozialen Verantwortung und Vernunft zu sein, müssen wir bei uns selbst damit anfangen. Habt Dank für eure große Leistung! In diesen Dank schließe ich insbesondere den Geschäftsführenden Vorstand, aber auch den gesamten Kreisvorstand mit ein.
Meine lieben Freundinnen und Freunde, von den bald dreißig Jahren meines politischen Engagements habe ich fast 17 Jahre im Sächsischen Landtag wirken dürfen. Für diese Zeit, für die Erfahrungen, die ich gemacht habe, für politische Vorhaben, die ich mit vorantreiben konnte, für die Freundschaften, die ich schließen durfte, (ja auch das gibt es in der Politik), für die Kollegialität, oft über Fraktions- und Parteigrenzen hinweg, für all das bin ich sehr dankbar.

Am 1. September habe ich den Wiedereinzug in den Sächsischen Landtag verfehlt. Die Wählerinnen und Wähler haben es so entschieden. Das gilt es zu akzeptieren. Dieses Jahr war für die Leipziger CDU kein gutes Wahljahr, nicht bei den Kommunalwahlen, nicht bei der Wahl zum Europäischen Parlament und nicht bei der Landtagswahl.

Es ist ein Akt des demokratischen Selbstverständnisses, in solch einer Situation den Staffelstab weiterzureichen. Genau das tue ich heute und verbinde dies mit dem Wunsch, dass Gottes Segen über der Arbeit des neuen Kreisvorstandes liegen möge. Allen, die mich die ganzen Jahre und Jahrzehnte über politisch begleitet und mir auch in vielen schwierigen persönlichen Situationen zur Seite gestanden haben, sage ich heute ganz herzlich Danke!